TITEL Geist der Gotik
TECHNIK Öl / Leinwand
SIGNATUR Unten rechts "Schulze-Sölde 1919"
ENTSTEHUNGSJAHR 1919
GRÖSSE (H x B) 87,5 x 70 cm
RAHMEN Holzrahmen
ZUSTAND Gut erhalten; restauriert und gereinigt
PROVENIENZ Privatbesitz Essen (seit mind. 60 Jahren)
PRÄSENTATION Das Gemälde können Sie bis Ende 2024 als Leihgabe besichtigen im »Museum Wilhelm Morgner • Thomästraße1 • 59494 Soest«
KUNSTWERK
"Geist der Gotik", 1919, Öl auf Leinwand, 87,7 x 70,2 cm, signiert und datiert "Schulze-Sölde 1919", verso auf dem Keilrahmen ein Aufkleber mit der Nummer "293". Ein Gutachten von W. Weihs (Soest) vom 29.01.2022 liegt vor.
Im Januar des Jahres 1919 zog Max Schulze-Sölde nach Hagen zu Karl-Ernst Osthaus. Das Jahr 1919 war für Max Schulze-Sölde der Höhepunkt seiner künstlerischen Karriere. Der Künstler nahm u.a. an den folgenden Ausstellungen teil:
- Galerie Alfred Flechtheim, Düsseldorf | Februar 1914
- Deutsche Werkbundausstellung, Köln | Mai - Oktober 1914
- Galerie Alfred Flechtheim, Düsseldorf | 1. - 4. Juni 1917
- Kunstsalon May, Dortmund | 1919
- Galerie Alfred Flechtheim, Düsseldorf | Ostern 1919 | »Expressionisten«
- Galerie Alfred Flechtheim, Düsseldorf | Pfingsten - 28. Juni 1919 »Max Schulze-Soelde. Willy Lammert«
- Kölnischer Kunstverein | 1919
- Galerie Arnold, Dresden | 1919 | »Ausstellung niederrheinischer und westfälischer Expressionisten«
- Galerie Herbert Cramer, Frankfurt | »Eröffnungsausstellung Niederrheinischer und westfälischer Künstler«
- Galerie Hans Goltz, München | Herbst 1919 | »5. Gesamtschau«
- Frankfurter Kunstverein | Dezember 1919
- Nassauische Kunstverein, Wiesbaden | November 1919 | »Der Niederrhein«
- Galerie Fritz Gurlitt, Berlin | Februar 1920
- Galerie Alfred Flechtheim, Düsseldorf | Juli - September 1920 | »
- Kölnischer Kunstverein | April 1921 | »Ausstellung westfälischer Künstler«
- Preußische Akademie der Künste, Berlin | April/Mai 1927 | »Frühjahrsausstellung«
In der Ausstellung »Max Schulze-Soelde. Willy Lammert« in der Galerie Flechtheim im Frühjahr 1919 wurden 44 Werke Max Schulze-Söldes aus den Jahren 1908-1919 ausgestellt. Im Ausstellungskatalog wird auf Seite 4 ein Gemälde mit dem Titel »Gotik« abgebildet. In der Aufstellung der Kunstwerke werden zwei Werke gleichen Namens genannt (siehe Foto):
- Nr. 39 Gotik (erste Fassung) 1919
- Nr. 40 Gotik 1919 (unverkäuflich)
Theoretisch könnte es sich bei dem vorliegenden Gemälde um die nicht abgebildete Nr. 39 handeln. Dann wäre das Gemälde »Geist der Gotik« die erste Fassung von mehreren Bildern dieses Titels. Bisher waren mehrere Versionen dieses Themas bekannt. Die frühen Versionen aus den Jahren 1917, 1919 und 1924 sind leider alle verschollen. Somit wäre diese Version die einzig erhaltene aus dieser Zeit.
KÜNSTLER
Max Schulze-Sölde (* 25. Januar 1887 in Dortmund; † 1. Juli 1967 in Theiningsen bei Soest) war ein deutscher Maler und als „Johannes der Jugend“ ein bekannter Inflationsheiliger der 1920er und 1930er Jahre.
Als Sohn eines Generalstaatsanwaltes geboren, studierte er zunächst selbst Jura. 1910 brach er seine Rechtsreferendarausbildung ab und besuchte bis 1912 die Malerklasse der Kunstakademie Düsseldorf. Bei Kriegsausbruch 1914 war er auf Studienreisen in Frankreich und wurde als Angehöriger einer Feindmacht interniert. 1918 nach Deutschland ausgeliefert, radikalisierte sich der nach Hagen zurückgekehrte Schulze-Sölde schnell. Unter dem Einfluss von Emil Löhnberg, einem Freund des Malers Heinrich Vogeler, entwickelte er eine Art „religiösen Sozialismus“ mit dem ermordeten Karl Liebknecht als „gekreuzigter Christus“ im Zentrum. Daneben verkehrte er im Kreis der „Hagener Boheme“, wo er den Sammler und Mäzen Karl Ernst Osthaus kennenlernte, der ihm ein Maleratelier zur Verfügung stellte. In diesem Kreis traf er auch auf Hugo Hertwig, einen Schüler Ernst Fuhrmanns, von dem er einige sozialistische und antizivilisatorische Glaubensgrundsätze übernahm, so eine tief sitzende Technik- und Luxusfeindlichkeit sowie die Verherrlichung des ländlichen Lebens.
Unter Hertwigs Führung beteiligte Schulze-Sölde sich 1920 an einem „kommunistischen“ Siedlungsprojekt auf dem Lindenhof nahe Kleve, das er aber schon nach wenigen Monaten frustriert verließ: „Was hatte ich nur zu tun mit diesen Menschen? Was wusste ich von ihnen und ihren Seelen? Nichts, als daß sie wie ich fertig zu sein glaubten mit der ‚alten Welt’“. Dennoch versuchte er bis 1933 immer wieder, seine Siedlungspläne in die Tat umzusetzen – allerdings vergeblich. Schulze-Sölde arbeitete daraufhin als Bergarbeiter im Ruhrgebiet, wobei er mit der anarcho-syndikalistischen Bewegung in Berührung kam. Als er 1921 einen Solidaritätsstreik zur Unterstützung des kommunistischen mitteldeutschen Aufstands organisierte, wurde er entlassen.
Enttäuscht wandte er sich vom Kommunismus ab und suchte Kontakt zur christ-revolutionären Bewegung des Reformarztes Karl Strünckmann, in der er die Funktion des Jugendführers übernahm. Als „Johannes der Jugend“ vermehrte Schulze-Sölde von da an die Zahl der Inflationsheiligen und versuchte bis Anfang der 1930er Jahre, die proletarische Jugend unter seiner Führung zu sammeln: „Ich behaupte, einer von denen zu sein, die Gott dazu ausersehen hat, den Menschen die ewigen Gesetze wieder zu verkünden, ... ich behaupte, die Stelle zu kennen, an der Satan verwundbar ist, ich behaupte, den Schlüssel zu haben, der uns das Paradies öffnet.“ 1923 schloss er sich, von Strünckmann unterstützt, der von Kurt Pösger auf religiöser Basis gegründeten christ-revolutionären Gewerkschaftsbewegung an, deren Ziel die Bildung einer religiös-sozialistischen Volksgemeinschaft war. Seine Malerei gab er auf.
In den nächsten Jahren näherte er sich politisch immer mehr dem völkischen Lager an. Die unter seiner Leitung 1930 stattfindende „Religiöse Woche“ in Hildburghausen, an der u. a. der Dadaist Johannes Baader, der Inflationsheilige Friedrich Muck-Lamberty, Karl Otto Paetel und Gusto Gräser teilnahmen, sollte der Gründung einer religiös-völkischen Sammlungsbewegung zur Vorbereitung einer „inneren“ nationalen Revolution dienen. Im „Größenwahn“ sprach er davon, „die Hitlers“ und „Thälmanns“ abzulösen. Aber der Versuch die höchst divergenten Gruppen und Einzelvertreter zu einigen, scheiterte. Der nationalsozialistische Völkische Beobachter reagierte verschnupft: „Verquickung von Religion und Politik ist immer mißlich. Und zwar zum Schaden der Religion. Das dürfte Herr Schulze-Sölde sehr bald erfahren – wenn er sich nicht noch rechtzeitig umstellt!“ Dennoch suchte Schulze-Sölde weiter Kontakt zu rechten politischen Gruppierung, so zur nationalbolschewistischen Gruppe um Ernst Niekisch und zu Otto Strasser und dessen Revolutionären Nationalsozialisten.
Seiner Frau zuliebe, der das Familienleben wichtiger war als die „Weltverbesserung“, hatte Schulze-Sölde schon 1926 eine Hilfslehrertätigkeit am Landerziehungsheim Haubinda / Thüringen angenommen. 1930 schloss er sich der von Gusto Gräsers Tochter Gertrud begründeten Reformsiedlung „Grünhorst“ bei Berlin an, die zu einem Treffpunkt der Jugendbewegung und der „Biosophen“ um Ernst Fuhrmann wurde. 1933 beendete er schließlich seine politischen und religiösen Aktivitäten und kehrte als Maler nach Soest und damit endgültig ins bürgerliche Milieu zurück. 1937 wurden seine Bilder von der Reichskammer der bildenden Künste als „entartet“ beschlagnahmt und einige davon im Rahmen der Wanderausstellung „Entartete Kunst“ gezeigt. Trotzdem trat er 1941 derselben Reichskammer als Mitglied bei. Ab 1945 war er Vorsitzender des „Kunstrings Soest“. Das Amt hatte er bis 1951 inne. 1947 kam es anlässlich seines 60. Geburtstags zu einer letzten großen Ausstellung seines malerischen Werks im Karl Ernst Osthaus Museum in Hagen. Der Versuch, 1946 mit Strünckmann seine religiös-politische Tätigkeit wieder aufzunehmen und einen „Sankt-Michaels-Bund“ zu gründen, scheiterte.
Politisch wechselte Schulze-Sölde mehrfach die Richtung, so fasste der Kunsthistoriker Reimer Möller 2001 dessen Leben zusammen, „vom Kommunisten zum Anarchosyndikalisten, zum außerkirchlichen christlichen Missionar, zum Nationalkonservativen, zum Strasser-Anhänger, schließlich zum christlichen Sozialisten und Demonstranten gegen den Atomtod. Viele dieser Orientierungswechsel haben sich in seinen Bildern niedergeschlagen. Das Bild von Don Quichotte, das er als 71-Jähriger gemalt hat, könnte möglicherweise als Bilanz seiner politischen Existenz gemeint gewesen sein.“ Quelle: Wikipedia.de
Max Schulze-Sölde wurde als einer der wichtigen Künstlers Westfalens aufgenommen in den Band «100 Meisterwerke westfälischer Kunst«, Klaus Kösters, Aschendorff Verlag, Münster 2011, S. 184/185.
LITERATUR
- Ulrich Linse: Barfüßige Propheten. Erlöser der zwanziger Jahre. Berlin: Siedler-Verlag 1983 ISBN 3-88680-088-1.
- Reimer Möller: Der Maler Max Schulze-Sölde auf dem ‚Lindenhof’ in Kleve in der Wilster Marsch. Ein agrarromantisches ‚edelkommunistisches’ Siedlungsexperiment, in: Soester Zeitschrift 107 (1995), S. 88–102.
- Caroline Theresia Real: Studien zum malerischen Werk des Künstlers Max Schulze-Sölde (1887–1967). Dissertation Universität Münster 2005.
- Klaus Kösters: Max Schulze-Sölde (1887–1967). In: Klaus Kösters (Hg.): Anpassung – Überleben – Widerstand: Künstler im Nationalsozialismus. Aschendorff Verlag, Münster 2012, ISBN 978-3-402-12924-1, S. 183–192.